Eine beliebte Metapher zur Beschreibung der Sprache ist die Zwiebel. Wie jeder weiß, besteht die Zwiebel aus vielen verschiedenen Schichten, die klar voneinander unterschieden werden können. Allgemein betrachtet ist Sprache Kommunikation sowie gekonnte Manipulation derselben (Schriftsteller und Dichter zeigen dies normalerweise am besten), um in Leben und Gesellschaft bestimmte Ziele zu erreichen. Dennoch liegt es in der Natur der Sprache, sich bei genauerer Betrachtung in verschiedenste Untersysteme zu gliedern, die als Forschungsbereiche oft völlig unabhängig voneinander stehen.

Avram Noam Chomsky, einer der bekanntesten Linguisten des 20. Jahrhunderts und Begründer der generativen Grammatik

Die Art, wie beispielsweise ein wissenschaftlicher Vertreter des Fachbereichs Phonetik die Sprache beobachtet, ist eine völlig andere als die eines Experten für Syntax. Da jeder Wissenschaftler sich stets nur mit den verborgenen Winkeln seines eigenen Fachbereichs und somit der von ihm gewählten Sprachschicht beschäftigt, wird deutlich, dass zwischen den einzelnen Schichten der „Zwiebel“ nur wenig Austausch stattfindet und ebenso wenig Bewusstsein von der Zwiebel als Ganzem besteht. Auch wenn sich diese Studien hin und wieder überschneiden oder kreuzen, bleibt der Forschungsbereich einer jeden Schicht doch derart weitläufig, dass ganze Berufsgruppen oft auf nur ganz kleinen Segmenten des linguistischen Wissenstands basieren.

Eine Situation, für die es mit großer Wahrscheinlichkeit keine Abhilfe gibt, da die Sprache auf alle Tätigkeiten des Menschen, von der unwichtigsten bis hin zur erstaunlichsten, übergreift. Ihr enormes Ausmaß ist mit dem der menschlichen Erfahrung in ihrer gesamten Vielschichtigkeit zu vergleichen, und zwar im Kontext einer sich ständig weiterentwickelnden Evolution sowie einem oft überaus raschen Grad der Veränderung. Um es mit wenigen konkreten Worten auszudrücken: Die Sprache formt die Welt. Computer würden ohne Sprache nicht existieren, all die speziellen Codes, die sich hinter der virtuellen Realität unserer Zeit verstecken, stellen eine mäßige Teilmenge der englischen Sprache dar.

Manchmal wird zwischen Worten und Zahlen unterschieden. Bei dieser Unterscheidung handelt es sich jedoch um eine Illusion, da die Quantifizierung als wichtigste Komponente der Sprache gilt. Die Zahlen müssen wie jede andere Sache bezeichnet werden und vermitteln ihrerseits Informationen, weshalb auch die Mathematik eine Form von Sprache ist. Von der Kunst bis hin zu Wissenschaft, vom Ritus bis hin zu Philosophie: Die Sprache ermöglicht unzählige Ausdrucksformen. Sie selbst ist Synonym für Ausdruckskraft. Sie entsteht als Laut und wird mittels Schrift und Gesten zum Bild.

Eine klare Idee von den verschiedenen Forschungsbereichen der Sprache zu haben, kann dabei helfen, das eigene Verständnis der Realität zu erweitern, zumindest im allgemeinen Sinne; eine Realität, die auf Zeichen und Kommunikation basiert. Sobald wir verstehen, dass die Sprache einer eigenen Ordnung folgt, die traditionsgemäß ja mit dem etwas wagen Begriff „Grammatik“ bezeichnet wird, wird uns auch klar, wie diese Ordnung sich in anderen Bereichen unserer Wahrnehmung wiederspiegelt. Wir beginnen zu begreifen, dass jede Sache ihre eigene Ordnung hat, dass jedes Phänomen – ganz gleich ob es sich um den Flug eines Vogels gegen den Himmel oder das einsilbige Brabbeln eines kleinen Kindes handelt – seiner eigenen Grammatik folgt.

Kehren wir jedoch zur Linguistik zurück: Noam Chomsky selbst hat eine ziemlich überzeugende Theorie von einer unbestimmten Universalgrammatik entwickelt, die auf der begründeten Annahme basiert, dass einige Elemente der Sprache, wie zum Beispiele Substantive oder Verben, in allen Sprachen gleich seien. Immerhin beschreibe die Sprache ja die Realität, die sich aus Sachen und Geschehnissen zusammensetzt. Ganz gleich, wo auf der Welt man sich befindet und welche S

prache man spricht.

Für die französische Sprache wurde ein wissenschaftliches Grammatikmodell entwickelt, das die Wortordnung in allen Sprachen der Welt beschreiben sollte. Das Modell hatte großen Erfolg und wurde demnach an allen Universitäten der Vereinigten Staaten gelehrt. Nach Einschätzung aller ein Meilenstein in der Wissenschaftsgeschichte der Linguistik. Ein Modell, das seine ehrgeizigen Bestrebungen jedoch neuen Maßstäben anzupassen hatte, als es einer ziemlich überraschenden Realität gegenüberstand: der Wortordnung im Japanischen.

Chomskys Modell, das im Grunde auf der englischen Sprache basiert, an eine völlig unterschiedlich strukturierte Sprache anzupassen (mit großer Wahrscheinlichkeit hätte man genau dies machen müssen und können), hätte bedeutet, das bestehende Modell gänzlich zu verwerfen und nochmal ganz von vorne anzufangen. Einige Zeit später jedoch formulierte Chomsky eine neue Theorie, die Generative Grammatik. In einem gewissen Sinne handelt es sich auch hierbei um etwas „Universales“, jedoch für jede Sprache anders. Ein perfektes Beispiel für erfolgreiche Manipulation der Sprache.

 

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